Nachdem bis dato regelmäßig die Bankenseite Grundsatzurteile des Bundesgerichtshof (BGH) zu den Fällen ggfs. fehlerhafter Widerrufsbelehrungen von Kreditverträgen aus den Jahren 2002 - 2010 zu verhindern gewusst hat, sind am 12.07.16 nunmehr endlich die ersten beiden Verfahren entschieden worden. Dies sicherlich auch vor dem Hintergrund der durch die Bankenlobby forcierten gesetzlichen Regelung, wonach ein Widerruf solcher Darlehensverträge nur bis längstens zum 21.06.16 erklärt werden konnte.

BGH spricht Klartext – Verbraucherrechte werden gestärkt

In den beiden Entscheidungen spricht der BGH nunmehr Klartext und führt im ersten der beiden Verfahren aus, dass selbst minimale Abweichungen vom gesetzlichen Mustertext dazu führen, dass Banken und Sparkassen sich nicht mehr auf die Gesetzlichkeitsfiktion der jeweils gültigen Musterwiderrufsbelehrung berufen können.

Konkret entschieden worden ist eine von Sparkassen bundesweit verwendete Belehrung mit der Fußnote "Bitte Frist im Einzelfall prüfen". Widerrufsbelehrungen, die diesen Zusatz enthalten, sind daher unwirksam. Solche Verträge konnten noch bis zum 21.06.16 widerrufen werden.

In diesen Fällen werden die Sparkassen nun hoffentlich zu einer beschleunigten Rückabwicklung widerrufener Verträge übergehen. Die Entscheidungsgründe zu diesem Urteil vom 12.07.16 (XI ZR 564/15) sind noch nicht veröffentlicht. Dies wird sicherlich zeitnahe geschehen. Man darf auch auf die weiteren Erläuterungen des BGH in den Entscheidungsgründen gespannt sein.

Hohe Hürden für den Einwand des Rechtsmissbrauchs

Klarheit hat der BGH auch geschaffen hinsichtlich der von Bankenseite regelmäßig eingewandten rechtsmissbräulichen Ausübung des Widerrufsrechtes. In seinem Urteil vom 12.07.16 (VI ZR 501/15) hat der BGH festgestellt, dass auch der Widerruf eines Kreditvertrages 14 Jahre nach Abschluss und 7 Jahre nach Abwicklung nicht automatisch rechtsmissbräuchlich ist. So dürfen Verbraucher den Vertrag auch widerrufen, um sich von einem inzwischen als ungünstig empfundenen Geschäft zu lösen.

In diesem Fall hatte die HSH-Nordbank einem Verbraucher im Jahr 2001 einen Kredit für den Kauf von Fondsanteilen gewährt. Streitig war zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits dann auch, ob der Vertrag im Rahmen einer Haustürsituation zustande gekommen ist und deshalb widerrufbar sei. Landgericht und Oberlandesgericht haben jedoch geurteilt, dass es darauf nicht ankomme. Sie waren der Auffassung, dass 7 Jahre nach der Abwicklung eines Kreditvertrages das Widerrufsrecht rechtsmissbräuchlich ausgeübt worden sei.

Dem hat der BGH nunmehr eine Absage erteilt. Auch wenn der Verbraucher einen Vertrag nur deshalb widerruft, weil sich das finanzierte Geschäft als ungünstig erwiesen hat, sei dies nicht rechtsmissbräuchlich und verwiesen den Rechtsstreit zurück nach Hamburg.

Auch das Verfassungsgericht befasst sich mit Widerrufsfällen

Auch das Bundesverfassungsgericht hatte sich jüngst mit der Widerrufsthematik zu befassen. Insoweit hatte das OLG in Schleswig die Klage einer Verbraucherin in einem Widerrufsfall abgewiesen und in diesem Verfahren keine Revision zum BGH zugelassen.

Die Richter in Schleswig hatten zwar festgestellt, dass die verklagte Sparkasse die Musterwiderrufsbelehrung verändert habe, diese Abweichungen jedoch so unbedeutend seien, dass die Belehrung trotz der Abweichungen vom gesetzlichen Muster als richtig gelte. Demgegenüber hatten sowohl das Kammergericht in Berlin und auch die Oberlandesgerichte Brandenburg, Köln und München zu genau derselben Widerrufsbelehrung anders geurteilt.

Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluss vom 16.06.16 (1 BvR 873/15) der Beschwerde der unterlegenen Klägerin stattgegeben und das Urteil des OLG Schleswig aufgehoben. Oberlandesgerichte dürfen nicht einfach Kreditwiderrufsklagen abweisen ohne die Revision zuzulassen, wenn andere Oberlandesgerichte zu den gleichen Kreditverträgen anders urteilen. In solchen Fällen ist die Zulassung der Revision von Verfassungs wegen Pflicht.

Mit diesen ersten Entscheidungen haben BGH und auch Bundesverfassungsgericht die Verbraucherrechte in Widerrufsfällen nachhaltig gestärkt. Es wird absehbar und sicherlich zeitnahe zu weiteren Entscheidungen kommen, über die dann zu berichten sein wird.

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